Wie man sich bettet …  Berg-Werken mit der Schreinersuse

Fichte oder Tanne, 4 cm oder 6 cm Durchmesser?  Ich stehe mit Schreinerin Susanne Schmidt im Baumarkt. Wir brauchen Holz, gutes Holz, denn wir wollen mein neues Bett bauen. Auf meterhohen Regalen türmt sich Bauholz in unterschiedlichen Farbtönen, Längen und Breiten. Ich deute auf einen Stapel Latten, die hochkant in einem Regal lehnen. Susanne Schmidt zieht eine heraus, stellt ein Ende auf den Boden, kneift ein Auge zusammen und führt das andere Ende vors geöffnete Auge. „Verzogen“, brummt sie, nimmt die nächste Latte, prüft erneut.

Susanne Schmidt ist die Schreinersuse. In ihrem Laden mit angrenzender Werkstatt in der Gertrudenstraße auf dem Wuppertaler Ölberg fertig sie seit zwei Jahren individuelle Holzmöbel nach eigenen Entwürfen oder nach denen ihrer Kunden: Unterschränke für Waschtische im Shabby-Chic-Look, stabile Regale, liebevoll gestaltete Medizinschränkchen, aber auch massive Kleiderschränke, standfeste Esstische und Stühle. Dass sie dabei genau das umsetzen möchte, was sich der Kunde wünscht, erlebe ich selbst, als ich mit meiner Idee zu ihr komme. „Mach doch mit“, schlägt sie vor. Also mache ich mit.

Entstehen soll ein so genanntes Steckbett, eine Latten- bzw. Balkenkonstruktion, die komplett ohne Schrauben und Winkel auskommt. Und ohne Lattenrost. Puristisch, schick und, so scheint es, relativ leicht umsetzbar. Ich habe mich für Douglasie entschieden, ein rötliches, schön gemasertes Holz, das auch Susanne Schmidt gefällt, denn sie legt vor allem Wert darauf, heimische Hölzer zu verarbeiten. „Wir müssen uns nicht ökologisch fragwürdiges Holz wie Teak einfliegen lassen, wenn wir in Deutschland über so großartiges Material wie Eiche verfügen können“, erklärt die 47-Jährige.

Wir laden zwei dicke Querbalken als Träger und 17 Latten für die Liegefläche ins Auto und los geht´s in die Gertrudenstraße. Die Werkstatt von Susanne Schmidt ist klein und gemütlich, es riecht nach Holz, an den Wänden lehnen Bretter, in den Ecken stapeln sich Schnittreste neben unfertigen Möbelstücken vor einer kleinen Hobelbank. Über allem liegt ein feiner Schleier Sägemehl.
Ihren Erfolg erklärt Susanne Schmidt damit, dass immer mehr Leute wissen wollen, wo ihre Möbel herkommen und vor allem, wie sie gefertigt werden. Thomas Landsiedel, Obermeister der Tischler-Innung Wuppertal, bestätigt das: „Seit ein paar Jahren erleben wir einen Aufschwung, die Auftragslage ist bei vielen Kollegen inzwischen wirklich gut.“ Trotzdem gibt es nur noch wenige Vollhandwerksbetriebe, vor einigen Jahren seien es in Wuppertal gerade mal 180 gewesen, so der Obermeister. Viele davon seien Ein-Mann-Betriebe, die sich Auszubildende oder Angestellte zeitlich und finanziell nicht leisten könnten.

Nach wie vor ist das Tischlern ein typischer Männerberuf, auf 15Auszubildende jährlich kommen ein bis zwei Frauen. Das war 2002, als Susanne Schmidt ihre Ausbildung begann, nicht anders. „Die Jungs haben aber schnell gemerkt, dass ich mit anpacken kann“, erzählt sie lachend. Wie bei den meisten Tischlern ist es der Arbeitsstoff, der sie fasziniert, der Geruch und vor allem die Haptik des Holzes. „Einen Tischler erkennst du daran, dass er an allem entlangstreicht, was er sieht“, sagt sie. Dann fragt sie: „Wie wird denn dein Bett stehen? Auf welchen der Balken wirst du schauen, wenn du den Raum betrittst?“

Susanne Schmidt hat sich eine simple, aber sehr ästhetische Lösung für mein Bett überlegt, bei der die Latten mit den Trägerbalken nicht durch Einschnitte ineinander gesteckt werden, sondern durch dicke Zapfen miteinander verbunden sind. In jede Latte müssen deshalb zwei, in die Querbalken je 17 Löcher gefräst werden, die Markierungen per Hand und millimetergenau eingezeichnet werden.
Die Schreinerin rechnet. Sie spannt Holz ein, legt um, misst aus, zeichnet. Das dauert. Ich halte Latten, reiche Arbeitsgeräte, messe und zeichne selbst. Danach geht alles ziemlich schnell. Die Dübelfräsmaschine kreischt und Hand in Hand fräsen wir die Löcher in Latten und Balken, hämmern Zapfen ein und stecken das Bett zusammen – genau so, wie ich es haben will!

Mit ihrer Liebe zu besonderen Möbelstücken ist Susanne Schmidt nicht alleine. Inzwischen hat sie Kunden in ganz Deutschland, in Österreich und in der Schweiz, Kunden die Unikate wollen, ausgesuchte, in handfester Schreinerqualität gefertigte Möbelstücke. Das Holz spielt dabei eine große Rolle und sei, so die Schreinersuse, meist erst dann vollkommen, wenn es gerade nicht perfekt sei. Deshalb verwendet sie oft alte Bretter und Latten oder Bauholz mit besonderer Maserung, mit Astlöchern oder kleinen Macken und Kanten. Und aus denen erschafft sie – in ihrem Berg-Werk* sogar gemeinsam mit dem Kunden – auch schon mal einen Traum von einem Bett.

Text von Jennifer Abels für das Seniorenzentrum Lutherstift. Danke Jenny!

Zur Person:

Susanne Schmidt lebt und arbeitet auf dem Ölberg. Nach einem unliebsamen Jura-Studium absolvierte sie im Jahr 2004 eine Ausbildung als Tischlerin. Im Jahr 2008 folgte die Meisterprüfung. Seither ist die 47-Jährige als selbständige Schreinersuse tätig und restauriert alte Möbel, legt Dielen, Laminat und Parkett, hilft bei Planung und Konzeption der Raumausstattung und macht darüber hinaus (mit Holz) alles, was eine Schreinermeisterin halt so macht.

*Berg-Werk

In ihrer Workshop-Reihe BERG-WERK können sich Menschen nach Herzenslust selbst kreativ betätigen. Wer Lust hat, kann hier unter Anleitung in einer Gruppe oder allein eigene Möbel umgestalten, Neues aus Holz entwerfen oder einen feinen Einblick in die Kunst des Furnierens bekommen.