Mobiler Ölberg – was sonst?
In den letzten Monaten hat eine Ölberger Initiative auf sich aufmerksam gemacht.
Deren Mitglieder möchten im Bezug auf Mobilität andere Wege gehen.
Es war Anfang 2017 als in der Gertrudenstraße gegenläufiger Radverkehr (also gegen die Einbahnstraße) erlaubt wurde. (Das ist mittlerweile in fast allen Straßen auf dem Ölberg möglich) Dafür mussten sechs Stellplätze für Autos im Kurvenbereich an der Schule weichen, um eine Gefährdung der Radfahrenden auszuschließen. Es folgte ein Aufschrei von Bewohner*innen des Ölberger Quartiers, einige Medien stiegen drauf ein.
Dem gegenüber stand die Auffassung einiger Ölberger*innen, dass es doch richtig sei, dass dem Fahrradverkehr der Vorrang gegeben werde. Es muss doch möglich sein, ein paar Stellplätze wegzunehmen, um den zunehmenden Emissionen von Feinstäuben sowie den klimaschädlichen Treibhausgasen etwas entgegenzusetzen, war die Meinung einiger.
Klima braucht Engagement
Bald setzten sich Mitglieder der „Unternehmer*innen für die Nordstadt“ und verschiedene Interessierte zusammen, um darüber nachzudenken, wie das gesellschaftliche und politische Klima im Quartier und in Wuppertal insgesamt für eine autofreie Mobilität zu verändern sei.
Die verschiedensten Themen wurden identifiziert, um deutlich zu machen, dass ein so dicht bebautes Quartier wie der Ölberg Veränderung benötigt. Ziel war und ist es, durch die Priorisierung des Fußgänger*innen- und des Fahrradverkehrs, sowie des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) das Quartier lebenswerter und attraktiver zu machen.
Einig war man sich darin, im öffentlichen und politischen Raum zu intervenieren, Missstände zu thematisieren und sich für Lösungen einzusetzen oder selber zu initiieren und durchzuführen.
Elterntaxis müssen weg
Zunächst prangerte die Initiative die Elterntaxis an, die morgen für morgen, Schüler*innen des St.-Anna-Gymnasiums bringen und oftmals ein heilloses Chaos am südlichen Ölberg veranstalten. Bis zu 150 Autos können dort jeden Morgen gezählt werden.
Mit Goethe „Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen“ wurden im September 2017 die Eltern auf ihr unmögliches Tun mit Banner und einer Flyer- sowie „Helikopter“-Verteilaktion aufmerksam gemacht. Die Schulleitung des Gymnasiums sagte bei weiteren Aktivitäten ihre Unterstützung zu.
Marienstraße entschleunigen
Um den Verkehr auf der Marienstraße zu verringern, bzw. vor allem zu verlangsamen, wurde dort Ende November 2017 eine Mobile Meßanlage montiert, die die Autofahrenden auf Tempo 30 aufmerksam machen sollte. Letztlich konnte durch diesen Schritt die Durchschnittsgeschwindigkeit auf 26 km/h reduziert werden. Gleichzeitig wurde ein Antrag auf Einführung einer Tempo-20-Zone in der Marienstraße und an der Ecke Roß/Rolandstraße an die Bezirksvertretung Elberfeld gestellt, der momentan noch von der Verwaltung geprüft wird.
Fahrrädern ein Zuhause geben
Zur Stärkung des Fahrradverkehrs entwickelte die Initiative die Idee, fünf Fahrradgaragen dezentral im Quartier zu platzieren. Jede dieser Garagen könnte 12 Räder aufnehmen. Die Idee dahinter: Stärkung des Gebrauchs von Fahrrädern, da diese nicht mehr umständlich in die Wohnung oder in den Keller getragen werden müssten. Jeweils zwei Stellplätze müssten dafür im öffentlichen Straßenraum umgewidmet werden. Eine Finanzierung dieses Vorhabens steht noch aus.
Mobilität vernetzen
Aus inhaltlichen Gründen ist daraus momentan der Versuch geworden, eine Mobilitätsstation in der Schneiderstraße am Schusterplatz zu etablieren. Eine solche Station ist im Grunde die Antwort auf die Einförmigkeit unseres Verkehrsverhaltens. Man geht davon aus, dass Mobilität in Zukunft multi-modular sein wird. Es werden verschiedene Systeme wie Car-Sharing, Fahrräder oder auch der ÖPNV an einem Ort zur Verfügung stehen und je nachdem welche Strecke wir zurücklegen wollen, stehen uns unterschiedliche Mittel zur Verfügung.
Am Schusterplatz sollen das zwei Stellplätze für Car-Sharing-Autos sein, eine Fahrradgarage für 12 Fahrräder, eine Fahrradabstellanlage. Ein Taxenplatz und der ÖPNV sind bereits vorhanden. Ergänzt werden könnte die Station nur durch eine Ladestation für eBikes und Elektro-Autos.
Im Moment ist dieses Vorhaben in der Prüfung bei der Verwaltung. Im Zusammenhang mit der Diskussion um drohende Dieselfahrverbote sieht die Initiative allerdings gute Chancen die Station politisch und praktisch umzusetzen.
In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass ein multi-modulares Angebot auch voraussetzen würde, dass über eine Mobilitätskarte alle Angebote auch nutzbar sein müssen: also eine Karte für ÖPNV, Sharing-Angebote und Ladestationen.
Dem ÖPNV den Weg freimachen
Diese Orientierung schließt auch ein, dass das Mobilitätsangebot der WSW durchaus noch verbesserbar ist. Eine kürzere Taktung der Linie 643 und vor allem Halteverbote und die Durchsetzung derer an den Stellen, wo die 643 immer wieder hängen bleibt und damit das ÖPNV-Angebot gerade auch von älteren Quartiersbewohner*innen nicht wahrgenommen werden kann.
Die Initiative setzt sich zudem für das solidarische Bürgerticket ein, welches seit Jahren von Jan Niko Kirschbaum (www.buergerticket-wuppertal.de/) und dem Wuppertal-Institut gefordert wird.
Elberfeld von Autos befreien
Das Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie (WI), mit Prof. Oscar Reutter an der Spitze, gab der Initiative dann im Juli 2017 noch einmal einen Schub. Mit dem Impulspapier „Autofreie Innenstadt Wuppertal Elberfeld – Ein Leitbild für die Verkehrswende im Stadtteil“ forderte das WI dazu auf, die Elberfelder Innenstadt inklusive dem Ölberg autofrei zu machen. Das Papier enthielt Aufgabenstellungen, Beispiele und Perspektiven im Hinblick auf die Umsetzbarkeit. Das Papier und die öffentliche Diskussion darüber bestärkte die Initiative, diesen Weg weiter zu beschreiten.
Bedarfe erforschen und analysieren
Bei allen diesen Diskussionen ist der Initiative „Mobiler Ölberg“ durchaus bewusst, dass viele Bewohner*innen des Quartiers ein eigenes Auto benötigen. Mit zwei Masterarbeiten, die von der Uni Wuppertal und dem Wuppertal Institut in Kooperation vergeben worden sind, sollen zum einen eine Parkraumanalyse vorgenommen werden; zum anderen wird es eine Befragung zum Mobilitätsverhalten und den entsprechenden Bedarfen der Bewohner*innen geben.
Parkgewohnheiten ändern
Viele Themen hinsichtlich einer Mobilitätswende auf dem Ölberg sind bis hierhin noch nicht angesprochen. Dazu gehören Überlegungen über andere „Parksysteme“, wie bspw. die Einrichtung von Dauerparkplätzen auch außerhalb des Quartiers oder die Nutzung von angrenzenden Parkhäusern vor allem in der Innenstadt.
Vor allem aber ist die Fußgänger*innenmobilität zu verbessern. Parken auf Gehwegen kann durch das einseitige Parken in den Einbahnstraßen verhindert werden. Eltern mit Kinderwagen und Nutzer*innen von Rollatoren wären begeistert.
Den Ölberg erreichbar machen
Dass Fußgänger*innen nicht vergessen werden, liegt vielen Aktiven am Herzen. Dies bezieht sich nicht nur auf die Begehbarkeit der Bürgersteige, sondern auch auf die Erreichbarkeit des Ölbergs zu Fuß. Gerade ältere Menschen benötigen hier mehr als eine Lösung, den ÖPNV. Warum soll nicht eine Aufzuglösung an einer gut erreichbaren Stelle eine Alternative darstellen?
Die Erreichbarkeit des Ölbergs ist allerdings auch für Fahrradfahrende ein Thema. Es reicht nicht aus, ein Pedelec zu haben, um die Höhenunterschiede zu bewältigen, auch die Verkehrsinfrastruktur ist entsprechend auszurichten. Karl- und Hochstraße sind nicht nur als Autobahnzubringer zu bewerten, sondern sind zugleich Hauptzuwegung für den Ölberg aus der Elberfelder Innenstadt heraus. Tempo 30 und eine Extra-Fahrspur mindestens für Fahrräder sind absolut notwendig, um eine Quartiersmobilität zu befördern. Karl- und Hochstraße müssen dringend entschleunigt werden.
Teilen hat Zukunft
Zukunftsforscher sagen uns voraus, dass das private Eigentum an Autos in ein paar Jahren der Vergangenheit angehören wird. Die großen Autokonzerne erarbeiten schon seit langem Strategien für diesen Wechsel. Das macht deutlich, dass wir uns auch in Fragen der Mobilität zunehmend mit Sharing-Konzepten (Konzepte des Teilens) auseinandersetzen müssen.
Car-Sharing kennt mittlerweile jede*r. Die Fa. Cambio hat schon jetzt 5 PKWs auf dem Ölberg platziert. Und es bestehen weitere Bedarfe, u.a. am Schusterplatz (s.o.). Das Teilen von Fahrrädern und Pedelecs wird der nächste Schritt sein. Aber damit nicht genug: viele Dinge des täglichen Lebens können geteilt werden. Daher arbeitet ein Arbeitskreis der Initiative „Mobiler Ölberg“ mit Unterstützung einer Gruppe von jungen Wissenschaftler*innen des Projekts „UrbanUp“ an der Uni Wuppertal an dem Konzept eines Sharing-Ladens für den Ölberg.
Und warum soll man eigentlich nicht Wohnungen mit Mobilitätsangeboten verknüpfen? Die Wohnungsgenossenschaft Ölberg eG interessiert sich gerade dafür, ihren Mitgliedern und Mieter*innen langfristig eine Mobilitätskarte (Car-Sharing und ÖPNV) anzubieten. Das könnte auch für andere Immobilieneigentümer interessant sein.
Wohnen und Arbeiten in einem lebenswerten Umfeld, wenn möglich mit immer weniger Autoverkehr. Warum nicht? Fangen wir jetzt schon damit an.
Kontakt: Thomas Weyland, 0202–4957018, info(at)unternehmen-nordstadt.de