Der Ölberg macht mobil! von Désirée Angelkorte
Wohin der Flow fließt… von Désirée Angelkorte
Vorwort
Liebe Nachbarinnen und Nachbarn!
Nach gut zweieinhalb Jahren Pause sind wir wieder da mit einer neuen Ausgabe von „Alles auf unserem Berg“, der Nordstadtbroschüre. Schon vergessen, dass es sie gibt? Bereits 2002 erschien die erste Ausgabe. Die Herausgabe war einer der ersten Aktivitäten des Vereins „Unternehmer/innen für die Nordstadt e.V.“. Inzwischen blättern Sie in der 14. Ausgabe. Ziel war und ist es, zum einen auf die Firmen und Initiativen im Stadtteil den Blick zu lenken und zum anderen zu einem gemeinsamen Bewusstsein
von Nachbarschaft beizutragen. Wir im Viertel – alles auf unserem Berg. 80 Unternehmer/innenporträts finden sich in diesem Heft – weniger als erhofft. Den gemeinsamen Geist, den frischen Wind, den wir 2016 noch verspürten, vermissen wir manchmal. Er scheint der Ernüchterung gewichen zu sein. Aber halt! Was für den Ölberg vielleicht in Teilen gilt, scheint jenseits der Hochstraße, im Mirker Quartier, genau anders herum zu verlaufen. Mehr dazu ab Seite 14.
Alle zwei Jahre feiern wir das Ölbergfest. Im Juni 2018 ging das 8. Ölbergfest unter großer Beteiligung und mit tollem Programm über die Bühne, besser gesagt, auf die Straße. Dass es inzwischen als das vielleicht größte Street Dance Festival der Republik bezeichnet wird, weist auf den sich ändernden Charakter des Festes hin. Trotzdem erfreut es sich weiterhin großer Beliebtheit und die Organisatoren legen sich mächtig dafür ins Zeug, damit auch der nachbarschaftliche Aspekt nicht verloren geht. Nun hat der Verein „Unternehmer/innen für die Nordstadt“ beschlossen das Ölbergfest „auszugründen“. Eine eigene Struktur soll geschaffen werden, die die Vereinsarbeit entlastet und im Festjahr nicht völlig lahmlegt. Neue Akteure sollen das Ruder übernehmen, dafür ist ein neuer Verein in Gründung. Mehr Infos unter www.nord-stadt.de unter dem Reiter Ölbergfest. Sie möchten mitmachen? Wenden Sie sich an Andreas und Alexander Klein (Seite 42) oder schreiben an fest@nord-stadt.de. Wir freuen uns jedenfalls auf viele weitere großartige Feste auf dem Ölberg: nachbarschaftlich, tolerant, lecker, stimmungsvoll, tanzwütig, nachhaltig, glasfrei
und ohne Nazis.
Ebenfalls im Zweijahresrhythmus und im Wechsel mit dem Ölbergfest veranstalten wir das Lesefestival „Der Berg liest“. Dieses Jahr wird die beliebte Mitmachveranstaltung am 29. September von 10 – 24 Uhr stattfinden. Aufgerufen sind alle Bewohner/innen der Nordstadt, in ihren Wohnungen, Werkstätten, Büros, Kneipen und/oder auf der Straße aus ihren Lieblingsbüchern vorzulesen. „Der Berg liest“ besticht immer wieder durch persönliche Atmosphäre und nachbarschaftliches Miteinander. Und durch Räume, die durch die Lesungen in neuem Licht erscheinen, wenn zum Beispiel Shakespeare in der Autowerkstatt gelesen wird. Weitere Infos gibt es in Kürze unter www.nord-stadt.de.
Keine zwei Jahre hat ein anderes Projekt gebraucht, um kurz vor der Umsetzung zu stehen: die Fahrradgarage am Schusterplatz. Im Sommer 2017 wurde diese Idee erstmals im Rahmen des Bürgerbudgets der Öffentlichkeit vorgestellt. Fahrradgaragen sollen den Anwohnern die Möglichkeit geben, in der Nähe ihrer Wohnungen ihre Gefährte geschützt unterzustellen. Das macht besonders Sinn für die Besitzer/innen von E‑Bikes. Ist es doch kaum möglich, die schweren Räder die enge Kellertreppe
runter- oder hochzuwuchten. Geplant waren fünf, nun ist es erst einmal eine Garage. Dafür ist sie im Zusammenspiel mit Taxi- und Carsharing-Stellplatz und der Nähe zur Bushaltestelle der 643 zur Mobilstation aufgewertet worden (siehe Seite 10). Wer sich in der Fahrradgarage einmieten möchte, schreibe eine Mail an mobil@nord-stadt.de. Dass die notwendige Mobilitätswende nicht nur Freunde haben wird, liegt auf der Hand, schließlich fallen bestehende Parkplätze weg. Dass wir über konkrete Veränderungen reden, diskutieren und streiten müssen, auch, zum Beispiel mit den Eltern und der Schulleitung der St. Anna Schule. Weit über 200 Autos quälen sich zur Schulzeit morgens und nachmittags durch die Dorotheenstraße. Bis heute hat es die Schulleitung nicht geschafft, auf ihrer Homepage klar und deutlich zu sagen, dass man dies nicht wünsche. Und in der Anfahrtsbeschreibung heiß es nur lapidar: „Tipp: Nutzen sie den ersten Parkplatz, den Sie ab dem Einbiegen in die Charlottenstraße sehen! Bedingt durch die Lage in einem Wohnviertel hat die St.-Anna-Schule nur sehr wenige eigene Parkplätze.“ So kann man es auch machen. Nein, so kann man es eben nicht machen!
Zweimal hat die Grundschule Marienstraße u.a. über das Portal „Gut für Wuppertal“ (betterplace.org) für eine Schulfahrt an die Nordsee gesammelt. Und es geschafft, fehlende Gelder in kürzester Zeit zusammen zu bekommen. Viele Schüler/innen erhalten so die Möglichkeit, in den Herbstferien einmal rauszukommen, den oft nicht einfachen Alltag zu vergessen, die Seeluft zu genießen. Dieses tolle Projekt ist zudem nur möglich durch das ehrenamtliche Engagement von Schulleitung, einigen Lehrer/innen und Mitarbeitenden an der Schule. Hut ab! Es ist nicht die einzige Aktion, bei der die Schule ungewöhnliche Wege geht. Sie ist im Viertel fest verankert, erklärt u.a. das Ölbergfest kurzerhand auch zum Schulfest und betont ihr sportliches Profil. Ob beim Hockey oder beim Volkslauf rund um die Ronsdorfer Talsperre, überall sind die Schüler/innen dabei. Mit Erfolg – und besonders wichtig: mit viel Spaß. Tja, da frage ich mich, warum so viele – besonders sogenannte bildungsnahe – Eltern aus dem Viertel ihre Kinder dann doch lieber mit dem Auto zum Nützenberg bringen oder zur Grundschule Birkenhöhe. Wollten wir nicht alle weniger Autoverkehr? Ob es mit dem hohen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund zu tun haben könnte? Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Leben wir nicht bewusst in diesem multikulturell geprägten
Viertel? Da kommt Zynismus auf.
Mir fällt es dann manchmal schwer, all das Positive zu sehen, das unseren Stadtteil ausmacht. Und ich denke, es wäre sinnvoll, öfters mal die Finger in die Wunden zu legen und auf Missstände aufmerksam zu machen. Ob das demotiviert? Nicht unbedingt. Es zeigt, wo wir anpacken müssen. Die Mobilstation – die erste in unserer Stadt – ist dafür ein gutes Beispiel.
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Uwe Peter
Vorstand Unternehmer/innen für die Nordstadt e.V.
Kontakt
Unternehmer/innen für die Nordstadt e.V.
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Zimmerstraße 40, 42105 Wuppertal
Tel: 4957018
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Redaktion
alles auf unserem Berg
c/o Uwe Peter
Schusterstraße 59, 42105 Wuppertal
Tel: 3702944, nsb@uwepeter.de
Der Ölberg macht mobil!
von Désirée Angelkorte
Wer aufmerksam durchs Quartier geht, wird sicherlich in der letzten Zeit kleine Veränderungen bemerkt haben. Hier ein Parkplatz weniger, dafür ein etwas längerer Radweg, dort ein neuer Stellplatz vom cambio CarSharing. Und mitten in der Charlottenstraße befindet sich auf einmal eine reizende Oase mit Strand, Sonnenstühlen und Kaltgetränken im Parkbuchtformat! Moment mal eine Oase? Ganz richtig, das ist keine Fata Morgana, sondern eines der Ziele der Initiative Mobiler Ölberg: Andere Wege in Sachen Mobilität zu gehen.
Thomas Weyland, von Beginn an aktiv bei der Initiative, ist der Meinung, dass sich erst was in den Köpfen der Nordtstädter*innen bewegen muss, bevor sich etwas (anders) auf den Straßen bewegt: „Mit dem Durchbruch im Denken sind wir schon recht spät dran“ mahnt der Quartiersgestalter.
Die Initiative Mobiler Ölberg besteht aus interessierten Anwohner* innen, Politiker*innen und Querdenkenden, die mit ihrem Tun ein klares Ziel haben. Keine Symptome behandeln, sondern die unterschiedlichen Verkehrsprobleme in unserem Quartier direkt an der Wurzel zu packen.
Den verzweifelt parkplatzsuchenden Anwohnern*innen – es sind laut der Parkraumanalyse von Anne Epping im Rahmen einer Masterarbeit an der TU Dortmund, an einem Wochenabend um die 500 – mag es wohl wie eine Art Kriegserklärung erscheinen, einige der raren Parkplätze „wegzunehmen“. Über 80% der befragten Anwohner*innen suchen Abend für Abend länger als 10 Minuten nach einem Parkplatz. Das klingt ganz schön nervig – ist es auch! Ein Fußwege-Check, den die Initiative kürzlich durchführte, bestätigt die Ergebnisse Eppings.
Dabei erleben die Ölberger*innen seit Jahren, dass es auch ganz ohne Autos geht. Bevor der bunte Trubel des Ölbergfests los geht, bietet sich den Anwohner*innen und Besucher*innen Jahr für Jahr ein außergewöhnliches Bild. Zwischen Hombüchel und Wülfrather Straße, über die gesamte Marienstraße und in einigen Querstraßen sucht man vergeblich die omnipräsent parkenden Autos. Das Straßenbild des Ölbergs mit seinen wunderbaren Altbaufassaden erstrahlt an diesen Tagen in einem neuen Licht. Was sonst eher wie ein Wimmelbild voller parkender Vehikel anmutet, ist an diesen Tagen wunderbar frei. Im wahrsten Sinne befreit kann man da über die Straßen schlendern.
Ganz im Gegensatz dazu steht der nordstädt´sche Alltag. Es sind zahllose, zugeparkte Kreuzungen, an denen die Straße nicht ungefährdet überquert werden kann, oft haben Fußgänger sogar überhaupt kein Durchkommen auf Gehwegen.
Uwe Peter, ebenfalls bei der Initiative Mobiler Ölberg aktiv, ist darüber entrüstet: „Wenn in der Brunnenstraße, um nur eine von vielen Problemzonen anzuführen, auf dem Bürgersteig parkenden Autos der Vorzug vor Fußgängern, Rollstuhlfahrern oder Kinderwagen, gewährt wird, ist in dem zugrundeliegenden System etwas krank!“
Es ist also an der Zeit, neu zu denken. Doch wie stellen wir uns die Zukunft vor? Ist ein autofreier Ölberg denk- und umsetzbar?
Die einen sagen, das radikal autofreie Quartier sei das einzig erstrebenswerte Ziel, die anderen parken weiterhin gerne direkt vor der Tür. Ein Kompromiss muss also her. Oder eher gesagt, viele kleine Kompromisse, die nichtsdestotrotz zielstrebig in Richtung Mobilitätswende steuern.
In den vergangenen Monaten wurde von der Initiative eine Agenda erstellt, deren wichtigste Punkte an dieser Stelle für alle Leser*innen transparent werden soll. Und es lässt sich nicht bestreiten, dass die folgenden Punkte alle Bewohner*innen der Nordstadt bewegen.
Klima braucht Engagement!
Elterntaxis verhindern!
Fahrrädern ein Zuhause geben!
Mobilität im Quartier vernetzen!
Parkverhalten ändern!
Dem ÖPNV den Weg freimachen!
Klima braucht Engagement, denn mittlerweile ist jedem*r von uns der untrennbare Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und dem Verkehr bekannt. Feinstaub, CO2-Ausstoß, Dieselfahrverbot, Tempolimit auf Autobahnen sind nur wenige von zahlreichen, unumgänglichen und dennoch sensiblen Themen, mit denen wir uns jetzt auseinander setzen müssen. Sie betreffen alle und werden auf lange Sicht auch alle zum Umdenken bewegen.
Für manche mag die Idee, den Ölberg von Autos zu befreien, unbequem klingen, aber die Zeit, in der die besten Ideen und Problemlösungen gleichzeitig die bequemsten sind, ist vorbei.
Eine erste Aktion, mit der die Initiative Mobiler Ölberg bereits 2017 auf sich aufmerksam machte, betraf die„Helikoptereltern“ des St.-Anna-Gymnasiums. Morgen für morgen spielt sich das gleiche Szenario am westlichen Ölberg ab: Schüler*innen werden von ihren Eltern mit dem Auto bis vor die Schultür gebracht. Das verursacht auf den schmalen Straßen ein heilloses Verkehrschaos! Es wurden bis zu 150 Autos pro Morgen von Mitgliedern der Initiative gezählt. Die ohnehin schon vollgeparkten Einbahnstraßen rund um die Erzbischöfliche Schule benötigen alles andere als diese allmorgendlich stattfindende, immer wieder aufs Neue unkoordinierte Choreografie aus Anhalten, Aussteigen, Weiterfahren und müden Schüler*innen, die mittendrin die Straße überqueren.
Die Forderung ist demnach klar: Elterntaxis müssen verhindert werden! Mit einer Prise Humor und den treffenden Worten Goethes gingen die Mitglieder der Initiative vor, um die Eltern auf ihr Verhalten aufmerksam zu machen. Ein Banner mit Goethes Zitat „Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen“ wurde den Eltern bei ihrer morgendlichen Rundfahrt gut sichtbar entgegen gehalten und sie bekamen kleine Spielzeug-Helikopter und Flyer obendrauf.
Die Schulleitung des Gymnasiums sagte bei weiteren Aktivitäten ihre Unterstützung zu, beispielsweise beim Filmprojekt mit Modellcharakter von Uta Atzpodien. Tobias Maria Freitag und Kim Münster. Das Filmprojekt gibt den Schüler*innen die Möglichkeit, ihren Standpunkt zum Thema „Autofrei“ filmisch auszudrücken, denn die Schüler*innen sehen das (Fahr-)Verhalten ihrer Eltern kritisch. Wir sprechen hier wohlgemerkt von Gymnasiast*innen, die sicherlich gerne auch mal zur Schule gehen sollten. Das Projekt startet im März und die entstehenden Filmarbeiten sind sowohl online, als auch bei Infoveranstaltungen des St.-Anna-Gymnasiums zu sehen.
Momentan wird beim Mobilen Ölberg an einer konkreten Veränderung im Straßenbild gearbeitet, mit dem Ziel Fahrrädern ein Zuhause zu geben.
Wie schön es auch ist, dass immer mehr Menschen in unserem Quartier mit Rädern fahren, darf nicht unbedacht bleiben, dass auch diese Platz in Anspruch nehmen. Nicht jeder hat die Möglichkeit seinen Drahtesel Zuhause zu parken, gerade eBikes lassen sich nur schwerlich steile Altbaukellertreppen hinunter bugsieren. Das Dilemma ist groß, denn momentan sind Bürgersteige oft die einzige und gleichzeitig auch die schlechteste Option für einen Fahrradparkplatz. Denn ob es nun Fahrräder oder andere Vehikel sind, die Fußgänger behindern, ist am Ende egal.
Um das zu ändern wurde vor kurzem der Beschluss genehmigt, am Schusterplatz eine Fahrradgarage zu errichten. Zwölf Fahrräder oder eBikes erhalten dort einen sicheren Stellplatz, der angemietet werden kann (es sind noch ein paar Plätze frei, Anmeldungen gerne an Thomas Weyland).
Anreize für alle Nordstädter*innen zu schaffen, um das Zweirad oder öffentliche Verkehrsmittel gegenüber dem Auto vorzuziehen, steht in enger Verbindung mit der Entwicklung, die gesamte Mobilität im Quartier zu vernetzen. Die Fahrradgarage ist dabei nur ein Teil einer ganzen Mobilstation, die am Mittelpunkt des Ölberges, dem Schusterplatz, entsteht.
Die wortwörtlich festgefahrene Einförmigkeit des Verkehrs soll an diesem Punkt aufgebrochen werden. Ein modulares Konzept wird dem entgegen gestellt. Das bedeutet, dass nicht nur ein, sondern mehrere Verkehrsmittel einfach und mühelos genutzt werden können. Taxistellplätze und Bushaltestelle sind am Schusterplatz bereits vorhanden, zur Fahrradgarage gesellen sich weitere Radabstellmöglichkeiten und ebenfalls werden zwei cambio CarSharing- Wagen einen Platz dort bekommen.
Um zu zeigen, dass die Initiative es ernst meint, hat sie für die Fahrradgarage folgende Finanzierung geplant: Die kostenpflichtigen Parkplätze in der Sattlerstraße sollen zur Teilfinanzierung der Fahrradgarage genutzt werden. Autofahren kostet im Vergleich zum Radfahren eben mehr, diese Mehrkosten werden hier plakativ für die Unterstützung des Radverkehrs genutzt.
Frank Erbschloe von Das Pflegeteam an der Hochstraße hat bereits Veränderungen in Sachen Mobilität in seinem Unternehmen umgesetzt. Erbschloe erläutert entschlossen: „Den Fokus unserer Arbeit haben wir mittlerweile auf den Ölberg verlagert. Wir steigen also nach und nach auf fußläufige Betreuung um und fahren auch immer öfter mit dem Fahrrad zur Arbeit oder zu unseren Klienten*innen. Je weniger in unserem Betrieb mit dem Auto gefahren wird, desto besser! Besser fürs Klima und die betriebliche Bilanz.“
Ein weiterer Punkt, welcher der Initiative Mobiler Ölberg am Herzen liegt, betrifft den ÖPNV, genauer gesagt, wird der Versuch unternommen, ihm den Weg freizumachen. Das klingt banal, doch folgende Situation wird vielen Busfahrern bekannt vorkommen: Die Linie 643 Richtung Lutherstift biegt nicht wie nach Fahrplan von der Hochstraße in die Marienstraße ein, sondern steuert stattdessen einige Meter weiter die Haltestelle Marienstraße an. Der Busfahrer bittet alle Fahrgäste auszusteigen, die Straßen seien verstopft, eine Weiterfahrt nicht möglich.
Laut Angabe der WSW verzeichnete die Buslinie 643 zwischen Januar und September 2018 satte vierzig Stunden Verspätung. Dies sei hauptsächlich auf abgestellte Autos in Halte- und Parkverbotszonen zurückzuführen, welche den kleinen Quartiersbussen die engen Fahrwege gänzlich versperren.
Eine nervenaufreibende Situation, nicht nur für Busfahrer*innen und Fahrgäste, die ihre geplante Destination nicht erreichen, sondern auch für diejenigen, die an der nächsten Haltestelle vergeblich auf den Bus warten. Besonders betroffen sind davon die Menschen, die das Service- Wohnen am Lutherstift beanspruchen. Frau Margret Rittershaus, die in diesem Jahr 80 Jahre alt wird, spricht für sich und die anderen Bewohner, die dort altersgerecht, aber so selbstständig wie möglich leben: „Ich brauche zwar seit einiger Zeit eine Gehilfe, aber das soll nicht heißen, dass ich nicht mehr gerne zum Einkaufen oder zu Veranstaltungen rausgehe. Allerdings bin ich dann auf den Bus angewiesen. Für mich bedeutet die Bushaltestelle vor der Tür ein echtes Stück Unabhängigkeit! Wenn dann die Leute total blöde parken und der Bus nicht fährt, weiß ich nicht, wie ich vom Fleck kommen soll!“
Um in diesem Zuge für mehr Menschen die Nutzung des ÖPNVs zu ermöglichen und ihn attraktiver zu gestalten, liegt den WSW schon länger der Vorschlag eines Quartierstickets für Nordstadtbewohner* innen vor. Dieses Ticket ist auch Teil des „Green City Plans“, einer Sammlung verschiedener Ideen zur Luftreinhaltung in Innenstädten. Das Wuppertaler Verkehrsressort hat den „GCP“ 12 INS_29_3_19_final.QXD 29.03.2019 12:29 Uhr Seite 12 erarbeitet und der Stadtrat hat ihn Mitte letzten Jahres dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur vorgelegt. Eine darin aufgeführte Maßnahme ist das „Nordstadtticket“ als gezielte Neukundenkampagne für den ÖPNV. Dabei werben Abonnenten*innen neue Abonnenten*innen als Stammkunden*innen und beide bekommen einen spürbaren Preisvorteil für ihre Monatstickets. Klingt recht verlockend, doch auf die Umsetzung warten wir ungeduldig, da diese von vielen Faktoren abhängt.
Kommen wir abschließend, nach dem ganzen Verkehrs-Stress und der Aufregung noch mal zurück zu unserem Kleinod auf der Charlottenstraße. Stellen wir uns vor, wie es wäre, an einem lauen Sommerabend an einem kleinen Strand, umringt von sattem Grün, gemütlich in einem Liegestuhl zu sitzen und ein gekühltes Getränk zu genießen. Und das nur einen Katzensprung von Zuhause entfernt! Hört sich utopisch an, könnte aber Realität werden. Es benötigt nur ein paar Querdenker mit dem Mut einen Schritt weiter zu gehen. Schon kann ein urbaner Raum von einer grauen Parkeinöde zur wundervollen Oase verwandelt werden. Allein die Vorstellung macht nicht nur jedem Einzelnen großen Spaß, sondern die Umsetzung würde das gesamte Quartier lebenswerter machen. Wohnen und Arbeiten in einem lebenswerten Umfeld, mit immer weniger Autoverkehr. Warum nicht?
Der Ölberg macht mobil!
Ach ja, wir sind nicht allein auf weiter Flur: Die Mobile Mirke gibt es auch schon. Die hat es unter anderem geschafft, dass die Neue Friedrichstraße jetzt zur Fahrradstraße umgestaltet wird. Geht doch!
Wohin der Flow fließt…
von Désirée Angelkorte
In der letzten Ausgabe unserer Broschüre berichtete Jennifer Abels freudig-erstaunt, wie die Einzelhändler*innen auf dem Ölberg einen „nachbarschaftlichen, nachhaltigen und heimatbezogenen Lifestyle“ zelebrieren.
Während in der Zwischenzeit ist Alltag in das bunte Treiben rund um die Marienstraße einkehrte, schwappte dieser Flow merklich in weitere Teile der Nordstadt über.
Einige findige und motivierte Akteure*innen, zeigen erneut, wie sehr sich doch der Einsatz für sein Quartier lohnt. So lerne ich bei meiner Erkundungstour nicht nur einzigartige, regionale Produkte und nachhaltige Konzepte kennen, sondern auch die Nachbarn*innen, die mit ihren einzigartigen und unterhaltsamen Geschichten dahinter stehen.
Meine erste Station: WE ARE KIOSK. Kiosk, Büdchen, Tante Emma Laden oder Spätkauf, das kennt jede*r. Doch so einen Kiosk wie den auf der Friedrichstraße, habe ich vorher noch nicht gesehen. Hier betreiben drei junge Student*innen von der Bergischen Universität Wuppertal eine Institution, die zwischen Kultbüdchen und Kulturstätte changiert. WE ARE KIOSK, das sind Daria Henken, Maria Musiol und Johannes Farrenkopf, aber auch du und ich und wir alle.
Der Mikrokosmos des Einkaufens sieht bei WE ARE KIOSK zwar anders aus als die klassische Vorstellung vom Büdchen nebenan, aber trotzdem fühlt man sich dort sofort Zuhause. Das Konzept Kiosk ist etwas ganz Besonderes, hier kauft schließlich jeder irgendwann mal irgendwas ein. Genau das schätzen die drei jungen Student*innen des Masterstudiengangs Public Interest Design, daher entstand auf der WE ARE KIOSK Sichtachse zwischen der Uni und Mirker Bahnhof aus ihrem Semesterprojekt mehr als nur ein „Büro“ oder „Stadtlabor“, sondern eben ein Kiosk. Das Altbewährte wird hier zusätzlich noch mit kompetentem Design und mit sensibler Quartiersarbeit gewürzt. Zwar suche ich in dem stylisch eingerichteten, kleinen Etablissement mit knallorangem Boden vergeblich nach Gummibärchen und Zeitschriften, dafür finde ich aber mit Sorgfalt ausgewählte Produkte aus Wuppertal und Umgebung. Über Kunstdrucke von jungen Kreativen aus Wuppertal, faire Shirts & Taschen verschiedener Labels, bis hin zu schokoladigem Genuss von Das Bernsteinzimmer, Kivamo Kaffee und die frische Min2- Schorle aus der Weinerei, wer auf der Suche nach dem gewissen Etwas (inklusive Wuppertaler Charme) ist, wird hier fündig.
Doch WE ARE KIOSK ist mehr als Verkaufsraum. Sie stellen Monat für Monat ein vielseitiges Programm auf die Beine und beleben das Quartier mit kulturellen Beiträgen wie Bildungs- und Kreativworkshops, das vom Sauberkasten, über chinesische Teezeremonien zu Persönlichkeitscoaching-Workshops und Veranstaltungen wie die Leselobby, Fachvorträge oder Ausstellungen reicht. Darüber hinaus haben die Mobilitätsinitiative des Quartiers, Greenpeace und die Female Future Force das feine Kioskräumchen schon für sich entdeckt und nutzten es für ihre Treffen. Die frische Institution verlangt dringend nach einem weiteren Besuch – vielleicht zum nächsten Hangout? Das letzte Glas Trassenhonig sucht übrigens auch noch einen neuen Besitzer.
Die Weinerei ist mein nächster Stopp. Von den selbst geschreinerten Möbeln bis zu den aufgearbeiteten Bügelflaschen ist, soweit ich sehen kann, alles handgemacht in der Weinerei. Ich habe den Eindruck, dass, wenn die Hefe in den großen Aluminiumgärfässern nicht von alleine den Zucker zu Alkohol umwandeln könnte, würden das Holger Bär und Leon Fehlauer auch noch in Eigenregie übernehmen.
Das Prinzip der „Garagenwinzer“ wird von den beiden neu interpretiert und heraus kam nach einem „etwas amateurhaften Start“, wie Leon Fehlauer scherzt, eine feine Manufaktur, die ehrlichen und darüber hinaus authentischen und transparenten Wein einschenkt.
Kunden kommen herein, man begrüßt sich mit herzlichem Handschlag und es werden die leeren Bügelflaschen gegen volle getauscht. „Der Wein verändert sich aber noch, in zwei, drei Wochen bekommt der ein intensiveres Aroma.“ — „So lange hält der sowieso nicht.“ Grinsend verschwinden die weinhaltigen Köstlichkeiten im Rucksack und man sehe sich dann am nächsten Barabend.
Die beiden Weinproduzenten betreiben den Laden in ihrer Freizeit, denn beide sind voll berufstätig. Das sollte miteinander vereinbar sein, so war die Idee. Umso mehr bewundere ich die Passion und Professionalität, mit der sich hier um die eigenen Produkte gekümmert wird. In der Weinerei bekomme ich genau erklärt, warum der Wein so schmeckt, wie er schmeckt und woher die Zutaten kommen, von der Traube aus der Pfalz bis zur handgepflückten Holunderblüte von der Trasse.
In den neuen Läden der Nordstadt spielt sich gerade das absolute Kontrastprogramm zum 08–15 Supermarkt ab, wo mir von allen Seiten steriler, Zusatzstoff versetzter und in Plastik eingeschweißter Mist entgegengeschleudert wird.
Apropos Plastikmüll, einige haben sich im vergangenen Sommer vielleicht schon gefreut, dass sich eine Initiative um einen Unverpackt- Laden in unserem Quartier bemüht. Dazu gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht: Die Initiative bemüht und trifft sich weiterhin, allerdings wird sich das passende Ladenlokal aller Voraussicht nach nicht in der Nordstadt befinden. Aber die Kollegen am Arrenberg sind ja glücklicherweise nicht weit entfernt. Mehr kann ich an dieser Stelle noch nicht verraten.
Bis es so weit ist, vertreibe ich mir die Zeit bei Sugo und einem Teller handgemachter Pasta hinter dem beschlagenen Schaufenster, welches das emsige Treiben, das hier herrscht, von draußen nur erahnen lässt. Oder ich bummele durch das wunderbar verwinkelte Ladenlokal von Patina und entdecke liebevoll aufgearbeitet Unikate für den Alltag. Gegenüber des Mirker Bahnhofs, werden charmante Möbel, Vintageschätzchen feilgeboten und von Vacation Records mit ausgewählten LPs musikalisch untermalt, denn es werden hier nicht nur die Ferien vertont, sondern viel mehr das wunderbare Gefühl, nach Hause zu kommen.